Offener Brief an NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen kritisiert
unzureichende finanzielle Unterstützung des Landes
In einem offenen Brief an NRW-Wissenschaftsministerin Pfeiffer-Poensgen haben sich alle zwölf Studierendenwerke des Landes in Form der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW (ARGE) und die landesweite Studierendenvertretung, das Landes-ASten-Treffen NRW (LAT NRW), über die Planungen des Landes zum Allgemeinen Zuschuss für die zwölf Studierendenwerke beklagt. Trotz vorgelegtem Datenmaterial zu den tatsächlichen Kostensteigerungen der Studierendenwerke, wird sich der Zuschuss des Landes für die Studierendenwerke für das Jahr 2022 lediglich um 0,75% erhöhen. Obwohl die Personal- und Sachkosten zum Teil um ein Vielfaches gestiegen sind, konstatieren die Studierendenwerke, dass das Land NRW offensichtlich das Herausschleichen aus der finanziellen Unterstützung der Studierendenwerke fortsetzen will. Studierendenwerke haben mehrere Einnahmequellen mit denen sie den Aufwand für ihre in der Regel stark verbilligten Dienstleistungen (Mensen, Wohnheime, Beratung, Kinderbetreuung) für Studierende ausgleichen können. Die günstigen Mahlzeiten, die in der Regel kostenlose Kinderbetreuung und Beratung sowie der preisgünstige Wohnraum sind Ausdruck und Verwirklichung des gesetzlichen Sozialauftrages der Studierendenwerke. Der Anteil des Landeszuschusses an den Einnahmen der Studierendenwerke ist seit Anfang der 1990er Jahre durch mehrere Nullrunden und unzureichende Steigerungen von 25 % auf heute rund 10 % gesunken. Notgedrungen mussten die Studierendenwerke dies in den letzten Jahren mit der Erhöhung der Sozialbeiträge oder durch Erhöhung ihrer Abgabepreise ausgleichen. Die Sozialbeiträge, welche Studierende jedes Semester zahlen müssen, machen mittlerweile mit knapp 30 % einen gegenüber dem Land NRW fast dreifach so hohen Anteil an den Einnahmen der Studierendenwerke aus. Pro Studierenden gibt die Landesregierung nur noch rund 37 € pro Semester für die soziale Infrastruktur im Studium aus. Die sogenannten Sozialbeiträge sind Teil des Semesterbeitrages für Studierende, die durch die jeweilige Hochschule von den Studierenden eingezogen werden.
„Das Land spart an der falschen Stelle“, resümiert Jörg J. Schmitz, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW. „Diese Finanzierungspolitik nötigt die Studierendenwerke, den ausgebliebenen Landeszuschuss im Rahmen der Selbstverwaltung auf die Studierenden abzuwälzen. Faktisch ist dies ein verdeckter Griff in die Taschen der Studierenden. Die Zwei-Klassengesellschaft im Hochschulsystem benachteiligt Studierendenwerke und Studierenden fortwährend.“ Frappierend wird diese Situation vor dem Hintergrund der neuen Hochschulvereinbarung NRW 2026: Die NRW-Hochschulen erhalten in den kommenden fünf Jahren 330 Mio. Euro zusätzliche Sachmittel, bspw. für die Digitalisierung und mehr Investitionen. Hinzu kommt die vollständige Übernahme der Tarif- und Besoldungssteigerungen durch das Land Nordrhein-Westfalen. Die Studierendenwerke erhalten im Gegenzug ab 2022 eine Erhöhung in Höhe von 0,1 Prozent dieser Summe (334.800 Euro), um einen kleinen Bruchteil der Tarifsteigerungen in 2022 aufzufangen. „Gerade die letzten Semester haben offengelegt, in welcher prekären finanziellen Situation sich Studierende befinden. Ihre Belastung nun so vorsätzlich zu steigern, halten wir für unverantwortlich“, kritisiert Amanda Steinmaus, Koordinatorin des LAT NRW.
Schmitz und Steinmaus haben nun die Ministerin für Kultur und Wissenschaft, Isabell Pfeiffer-Poensgen, in einem offenen Brief (siehe Anlage) aufgefordert die Planungen für die Landeszuschüsse 2022 zu korrigieren. Reagiert das Land nicht, dann sind steigende Sozialbeiträge, Mieterhöhungen und Essenspreise unvermeidlich. Alle Studierendenwerke wollen jedoch durch weitere Erhöhungen der Sozialbeiträge keine verdeckten Studiengebühren „durch die Hintertür“ schaffen. Doch sollte sich nichts ändern, werden die Studierenden wiederum zur Kasse gebeten.
Ansprechperson Presse:
Olaf Kroll, Referent der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW,
kroll@studierendenwerke-nrw.de, 0174–1683174
Offener Brief der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW und des Landes-AStenTreffen NRW zur unzureichenden Zuschusserhöhung der Studierendenwerke in 2022
Sehr geehrte Frau Ministerin,
die Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW hat bereits im Januar 2021 einen Zuschussbedarf (Zuschüsse zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben) der Studierendenwerke für das Jahr 2022 von insgesamt 51 Millionen Euro konstatiert. Wir haben dies in unseren Stellungnahmen mit den nicht von der Hand zu weisenden Personalkostensteigerungen aus den für die Studierendenwerke verpflichtenden Tarifsteigerungen begründet. Dabei haben wir erläutert, dass die letzte Erhöhung des Landeszuschusses im Jahr 2021 lediglich die Personalkostensteigerungen der Jahre 2018 gegenüber 2017 auffängt (Nachlaufprozess). Für 2019 verzeichneten die Studierendenwerke einen nachgewiesenen Zuwachs an Personalkosten um rund 6,5 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr. Das Land NRW plant nun, den Zuschuss für 2022 insgesamt um lediglich 334.800 Euro für alle zwölf Studierendenwerke zu erhöhen. Aus Sicht der Studierendenwerke und Studierendenvertretungen setzt die Landesregierung mit dieser minimalen Erhöhung des Landeszuschusses ihre mangelhafte finanzielle Unterstützung der Studierendenwerke fort und nötigt diese nun, die unvermeidlichen Kostensteigerungen innerhalb der einzelnen Studierendenwerke durch Erhöhungen der Sozialbeiträge, Erhöhung der Preise in den Verpflegungsbetrieben (z. B. Mensen, Bistros), Mieterhöhungen in den Studierendenwohnheimen oder/und Leistungseinschränkungen auszugleichen. Ein solches Agieren erscheint uns umso fragwürdiger, als die Landesregierung bereit ist, den Hochschulen mit der neuen Hochschulvereinbarung NRW 2026 (Laufzeit: 2022–2026) die volle Erstattung der tarifbedingten Personalkostenzuwächse und zusätzlich deutliche erhöhte Zuweisungen für Sachkosten zukommen zu lassen. Offenbar soll in NRW weiter eine Zweiklassengesellschaft im Hochschulsystem manifestiert werden, indem die Studierendenwerke gerade einmal wenige Promille der Finanzmittel der Hochschulen erhalten – und dieser Anteil Jahr für Jahr weiter nach unten gedrückt wird.
Wir halten dies gerade in Zeiten eines erhöhten Förder- und Unterstützungsbedarfs der Studierenden für ein fatales politisches Zeichen. Die Landesregierung nimmt offensichtlich in Kauf, dass die finanziellen Lasten der Studierenden steigen oder die Leistungen der sozialen Infrastruktur am Campus, die maßgeblich von den Studierendenwerken erbracht werden, eingeschränkt werden.
An der Bezuschussung der Studierendenwerke entscheidet es sich, wie ernst es eine Landesregierung mit der Bildungsgerechtigkeit ist. Günstiges Essen, niedrige Studienkosten (Stichwort: Sozialbeiträge) und preiswerter Wohnraum sind nicht ohne einen ausreichenden Landeszuschuss zu bekommen. Die Studierendenwerke und Studierendenvertretungen sind vom absehbaren Landeszuschuss für 2022 enttäuscht! Diese Pläne der Landesregierung ignorieren die tatsächlichen Leistungs- und Kostenstrukturen der Studierendenwerke. Die Landesregierung macht die Studierenden – zum wiederholten Mal – als Zielgruppe der sozialen und wirtschaftlichen Hilfen der Studierendenwerke zu Hauptkosten- und damit Hauptleidtragenden.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir bitten Sie eindringlich, die mit der Zuschussanpassung von 2021 eingeleitete Verbesserung nicht wieder zu verspielen und die geplante unzureichende Zuschusserhöhung für
2022 zu korrigieren.
Hochachtungsvoll
Jörg J. Schmitz (Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW)
Amanda Steinmaus & Tobias Zorn (Koordination des Landes-ASten-Treffens NRW)