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Studie­ren­den­werke müssen Studie­rende stärker belasten.

25. November 2021

Offener Brief an NRW-Wissen­schafts­mi­nis­terin Isabel Pfeiffer-Poensgen kritisiert
unzu­rei­chende finan­zi­elle Unter­stüt­zung des Landes

In einem offenen Brief an NRW-Wissen­schafts­mi­nis­terin Pfeiffer-Poensgen haben sich alle zwölf Studie­ren­den­werke des Landes in Form der Arbeits­ge­mein­schaft Studie­ren­den­werke NRW (ARGE) und die landes­weite Studie­ren­den­ver­tre­tung, das Landes-ASten-Treffen NRW (LAT NRW), über die Planungen des Landes zum Allge­meinen Zuschuss für die zwölf Studie­ren­den­werke beklagt. Trotz vorge­legtem Daten­ma­te­rial zu den tatsäch­li­chen Kosten­stei­ge­rungen der Studie­ren­den­werke, wird sich der Zuschuss des Landes für die Studie­ren­den­werke für das Jahr 2022 ledig­lich um 0,75% erhöhen. Obwohl die Personal- und Sach­kosten zum Teil um ein Viel­fa­ches gestiegen sind, konsta­tieren die Studie­ren­den­werke, dass das Land NRW offen­sicht­lich das Heraus­schlei­chen aus der finan­zi­ellen Unter­stüt­zung der Studie­ren­den­werke fort­setzen will. Studie­ren­den­werke haben mehrere Einnah­me­quellen mit denen sie den Aufwand für ihre in der Regel stark verbil­ligten Dienst­leis­tungen (Mensen, Wohn­heime, Bera­tung, Kinder­be­treuung) für Studie­rende ausglei­chen können. Die güns­tigen Mahl­zeiten, die in der Regel kosten­lose Kinder­be­treuung und Bera­tung sowie der preis­güns­tige Wohn­raum sind Ausdruck und Verwirk­li­chung des gesetz­li­chen Sozi­al­auf­trages der Studie­ren­den­werke. Der Anteil des Landes­zu­schusses an den Einnahmen der Studie­ren­den­werke ist seit Anfang der 1990er Jahre durch mehrere Null­runden und unzu­rei­chende Stei­ge­rungen von 25 % auf heute rund 10 % gesunken. Notge­drungen mussten die Studie­ren­den­werke dies in den letzten Jahren mit der Erhö­hung der Sozi­al­bei­träge oder durch Erhö­hung ihrer Abga­be­preise ausglei­chen. Die Sozi­al­bei­träge, welche Studie­rende jedes Semester zahlen müssen, machen mitt­ler­weile mit knapp 30 % einen gegen­über dem Land NRW fast drei­fach so hohen Anteil an den Einnahmen der Studie­ren­den­werke aus. Pro Studie­renden gibt die Landes­re­gie­rung nur noch rund 37 € pro Semester für die soziale Infra­struktur im Studium aus. Die soge­nannten Sozi­al­bei­träge sind Teil des Semes­ter­bei­trages für Studie­rende, die durch die jewei­lige Hoch­schule von den Studie­renden einge­zogen werden.

„Das Land spart an der falschen Stelle“, resü­miert Jörg J. Schmitz, Spre­cher der Arbeits­ge­mein­schaft Studie­ren­den­werke NRW. „Diese Finan­zie­rungs­po­litik nötigt die Studie­ren­den­werke, den ausge­blie­benen Landes­zu­schuss im Rahmen der Selbst­ver­wal­tung auf die Studie­renden abzu­wälzen. Faktisch ist dies ein verdeckter Griff in die Taschen der Studie­renden. Die Zwei-Klas­sen­ge­sell­schaft im Hoch­schul­system benach­tei­ligt Studie­ren­den­werke und Studie­renden fort­wäh­rend.“ Frap­pie­rend wird diese Situa­tion vor dem Hinter­grund der neuen Hoch­schul­ver­ein­ba­rung NRW 2026: Die NRW-Hoch­schulen erhalten in den kommenden fünf Jahren 330 Mio. Euro zusätz­liche Sach­mittel, bspw. für die Digi­ta­li­sie­rung und mehr Inves­ti­tionen. Hinzu kommt die voll­stän­dige Über­nahme der Tarif- und Besol­dungs­stei­ge­rungen durch das Land Nord­rhein-West­falen. Die Studie­ren­den­werke erhalten im Gegenzug ab 2022 eine Erhö­hung in Höhe von  0,1 Prozent dieser Summe (334.800 Euro), um einen kleinen Bruch­teil der Tarif­stei­ge­rungen in 2022 aufzu­fangen. „Gerade die letzten Semester haben offen­ge­legt, in welcher prekären finan­zi­ellen Situa­tion sich Studie­rende befinden. Ihre Belas­tung nun so vorsätz­lich zu stei­gern, halten wir für unver­ant­wort­lich“, kriti­siert Amanda Stein­maus, Koor­di­na­torin des LAT NRW.
Schmitz und Stein­maus haben nun die Minis­terin für Kultur und Wissen­schaft, Isabell Pfeiffer-Poensgen, in einem offenen Brief (siehe Anlage) aufge­for­dert die Planungen für die Landes­zu­schüsse 2022 zu korri­gieren. Reagiert das Land nicht, dann sind stei­gende Sozi­al­bei­träge, Miet­erhö­hungen und Essens­preise unver­meid­lich. Alle Studie­ren­den­werke wollen jedoch durch weitere Erhö­hungen der Sozi­al­bei­träge keine verdeckten Studi­en­ge­bühren „durch die Hintertür“ schaffen. Doch sollte sich nichts ändern, werden die Studie­renden wiederum zur Kasse gebeten.

Ansprech­person Presse:

Olaf Kroll, Refe­rent der Arbeits­ge­mein­schaft Studie­ren­den­werke NRW,
kroll@studierendenwerke-nrw.de, 0174–1683174

Offener Brief der Arbeits­ge­mein­schaft Studie­ren­den­werke NRW und des Landes-AStenTreffen NRW zur unzu­rei­chenden Zuschuss­er­hö­hung der Studie­ren­den­werke in 2022

Sehr geehrte Frau Ministerin,

die Arbeits­ge­mein­schaft der Studie­ren­den­werke NRW hat bereits im Januar 2021 einen Zuschuss­be­darf (Zuschüsse zur Erfül­lung der gesetz­li­chen Aufgaben) der Studie­ren­den­werke für das Jahr 2022 von insge­samt 51 Millionen Euro konsta­tiert. Wir haben dies in unseren Stel­lung­nahmen mit den nicht von der Hand zu weisenden Perso­nal­kos­ten­stei­ge­rungen aus den für die Studie­ren­den­werke verpflich­tenden Tarif­stei­ge­rungen begründet. Dabei haben wir erläu­tert, dass die letzte Erhö­hung des Landes­zu­schusses im Jahr 2021 ledig­lich die Perso­nal­kos­ten­stei­ge­rungen der Jahre 2018 gegen­über 2017 auffängt (Nach­lauf­pro­zess). Für 2019 verzeich­neten die Studie­ren­den­werke einen nach­ge­wie­senen Zuwachs an Perso­nal­kosten um rund 6,5 Mio. Euro gegen­über dem Vorjahr. Das Land NRW plant nun, den Zuschuss für 2022 insge­samt um ledig­lich 334.800 Euro für alle zwölf Studie­ren­den­werke zu erhöhen. Aus Sicht der Studie­ren­den­werke und Studie­ren­den­ver­tre­tungen setzt die Landes­re­gie­rung mit dieser mini­malen Erhö­hung des Landes­zu­schusses ihre mangel­hafte finan­zi­elle Unter­stüt­zung der Studie­ren­den­werke fort und nötigt diese nun, die unver­meid­li­chen Kosten­stei­ge­rungen inner­halb der einzelnen Studie­ren­den­werke durch Erhö­hungen der Sozi­al­bei­träge, Erhö­hung der Preise in den Verpfle­gungs­be­trieben (z. B. Mensen, Bistros), Miet­erhö­hungen in den Studie­ren­den­wohn­heimen oder/und Leis­tungs­ein­schrän­kungen auszu­glei­chen. Ein solches Agieren erscheint uns umso frag­wür­diger, als die Landes­re­gie­rung bereit ist, den Hoch­schulen mit der neuen Hoch­schul­ver­ein­ba­rung NRW 2026 (Lauf­zeit: 2022–2026) die volle Erstat­tung der tarif­be­dingten Perso­nal­kos­ten­zu­wächse und zusätz­lich deut­liche erhöhte Zuwei­sungen für Sach­kosten zukommen zu lassen. Offenbar soll in NRW weiter eine Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft im Hoch­schul­system mani­fes­tiert werden, indem die Studie­ren­den­werke gerade einmal wenige Promille der Finanz­mittel der Hoch­schulen erhalten – und dieser Anteil Jahr für Jahr weiter nach unten gedrückt wird.

Wir halten dies gerade in Zeiten eines erhöhten Förder- und Unter­stüt­zungs­be­darfs der Studie­renden für ein fatales poli­ti­sches Zeichen. Die Landes­re­gie­rung nimmt offen­sicht­lich in Kauf, dass die finan­zi­ellen Lasten der Studie­renden steigen oder die Leis­tungen der sozialen Infra­struktur am Campus, die maßgeb­lich von den Studie­ren­den­werken erbracht werden, einge­schränkt werden.
An der Bezu­schus­sung der Studie­ren­den­werke entscheidet es sich, wie ernst es eine Landes­re­gie­rung mit der Bildungs­ge­rech­tig­keit ist. Güns­tiges Essen, nied­rige Studi­en­kosten (Stich­wort: Sozi­al­bei­träge) und preis­werter Wohn­raum sind nicht ohne einen ausrei­chenden Landes­zu­schuss zu bekommen. Die Studie­ren­den­werke und Studie­ren­den­ver­tre­tungen sind vom abseh­baren Landes­zu­schuss für 2022 enttäuscht! Diese Pläne der Landes­re­gie­rung igno­rieren die tatsäch­li­chen Leis­tungs- und Kosten­struk­turen der Studie­ren­den­werke. Die Landes­re­gie­rung macht die Studie­renden – zum wieder­holten Mal – als Ziel­gruppe der sozialen und wirt­schaft­li­chen Hilfen der Studie­ren­den­werke zu Haupt­kosten- und damit Hauptleidtragenden.

Sehr geehrte Frau Minis­terin, wir bitten Sie eindring­lich, die mit der Zuschuss­an­pas­sung von 2021 einge­lei­tete Verbes­se­rung nicht wieder zu verspielen und die geplante unzu­rei­chende Zuschuss­er­hö­hung für
2022 zu korrigieren.

Hoch­ach­tungs­voll

Jörg J. Schmitz (Spre­cher der Arbeits­ge­mein­schaft Studie­ren­den­werke NRW)

Amanda Stein­maus & Tobias Zorn (Koor­di­na­tion des Landes-ASten-Tref­fens NRW)

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